Lebensgemeinschaft





Die therapeutische Gemeinschaft

Die Therapiezentren der Antike waren Kulturstätten, in deren Mittelpunkt die Pflege der Beziehung des Menschen zur göttlich geistigen Welt und damit gleichermaßen die Pflege der Beziehungen der Menschen untereinander und die zur außermenschlichen (natürlichen) Umwelt stand. Die Ursache für alle Krankheiten fand man in einer gestörten Beziehung zu der geistigen und weltlichen Umwelt. Beziehungen sind immer in Entwicklung. Darin liegt das Geheimnis des Menschwerdens. Die gelingende Entwicklung von Beziehungen lässt die beteiligten Menschen über sich hinauswachsen. Stagnierende Beziehungen, in denen der Blick auf das schöpferische Werdewesen des Anderen verdunkelt wird durch Reduktion auf das Unfertige, die (noch) nicht ausgebildeten Fähigkeiten, wirken zunehmend kränkend, zunächst auf die geistige und in der Folge auf die seelische und leibliche Wesenheit des Menschen. Wie die gelingenden Beziehungen zu Schaffensfreude, Tragekraft, Mut und Vertrauen in die Schicksalsmächte führen, so die stagnierenden zu Einsamkeit, Misstrauen, Angst und Burnout. Diese Zusammenhänge hat der israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky erkannt und beschrieben. Er entwickelte in den 1970er Jahren den Begriff der Salutogenese ( Salus = Heil, Gesundheit / Genese = Ursprung) und des Kohärenzgefühls (Kohärenz = Zusammenhang). Antonovsky begreift das „Heil-sein“ bzw. Kranksein nicht als Zustand sondern als Entwicklungsprozess, der den Einzelnen seinen Zusammenhang mit der Welt im Sinne des Gelingens immer mehr erleben lässt, bzw. bei dem dieser Zusammenhang verloren geht. Antonovsky nennt drei für die Qualität der Beziehung zur Welt wichtige Faktoren:

  • Das Gefühl von Verstehbarkeit
  • Das Gefühl von Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit
  • Das Gefühl von Sinnhaftigkeit

Alle drei Faktoren beziehen sich auf die tägliche Lebenswelt, aber auch auf die Frage des eigenen Schicksals und die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen. In der Erziehung des Kindes kommt es darauf an, dem Kind durch Vorbild und eine nachahmenswerte Umwelt die Ausbildung einer gesunden Leiblichkeit und die Ausbildung gesunder Seelenkräfte zu ermöglichen. Das Erleben von Moral, Ethik und Interesse im Handeln der Erwachsenen regt die Kräfte an, die einen harmonischen Zusammenhang von Denken, Fühlen und Wollen im werdenden Menschen ausbilden. Erziehung zur Freiheit, zur freien Individualität muss das Ziel sein. Es darf nicht durch wirtschaftliche Interessen der Eltern, der Wirtschaft oder des Staates (in der Schule) korrumpiert werden. In der Sozialtherapie geht es nicht mehr um Erziehung sondern um Selbsterziehung und um die Bildung eines integrativen Beziehungsnetzes (Sozialleib). An die Stelle der Erziehung tritt die Förderung.

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