Die Geschichte vom Richthof
Im Oktober des Jahres 1977 begann das gemeinsame Leben von Menschen mit und ohne Behinderungen in der Lebensgemeinschaft auf dem Richthof. Mehr als vierzig Menschen ordneten sich in vier Familien, die in die vier damals vorhandenen alten Häuser einzogen. Der Ort Richthof hatte zu der Zeit schon eine lange Geschichte hinter sich: Das älteste der Häuser datiert gemäß einer Inschrift auf dem Eckstein aus dem Jahre 1784 und war damals als Jagdhaus der Schlitzer Grafen – genannt von Görtz – erbaut. Noch vor dieser Zeit soll hier ein einfaches Haus gestanden haben. In den folgenden Jahrzehnten bauten die Besitzer weitere Häuser, ein größeres Herrenhaus, ein Gästehaus und ein Ökonomiegebäude. Diese Häuser waren bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts in wechselnder Intensität genutzt. Zu Ende der 60er Jahre aber lebten nur noch wenige Menschen in Wohnungen des Ökonomiegebäudes und des alten „Küchenbaus“. Haupthaus und Gästehaus standen leer. Das Anwesen wartete auf eine neue Nutzung, neues Leben.
Dieses neue Leben zog dann im Oktober 1977 ein und weitete sich bis heute kraftvoll aus. Vom ersten Tag an arbeiteten die Dorfbewohner in verschiedenen Werkstätten: einer kleinen Landwirtschaft, einer Gärtnerei, einer Landschaftpflegegruppe, die den vorhandenen herrlichen Park pflegen, erhalten und weiterentwickeln wollte, und in einer Holzwerkstatt, in der die bis heute beliebten Baumscheibentische entstanden.
Im Jahre 1982 konnten die ersten beiden neuerbauten Einfamilienhäuser bezogen werden, 1985 und 1988 wieder jeweils zwei neue Häuser. 1989 war endlich auch ein Werkstattgebäude fertiggestellt, in dem die inzwischen hinzugekommenen, nur provisorisch untergebrachten Werkstätten Töpferei, Weberei und Färberei schöne Räume vorfanden. Auch die Schreinerei konnte ihre inzwischen ausgeweitete Produktion unter optimalen Bedingungen weiterentwickeln. Die kleine Landwirtschaft aber war, wegen der Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Flächen, geschlossen worden. Eine Flechtwerkstatt war neu gegründet worden und hatte ihren Platz im alten Ökonomiegebäude, dem Jakob Böhme Haus, gefunden.
Die 90er-Jahre waren eine Zeit der Konsolidierung. Keine Neubauten, keine äußerlichen Erweiterungen. Die Außenwohngruppe in Rimbach, auf halbem Weg nach Sassen, entwickelte sich in Anbindung an die Gemeinschaft auf dem Richthof weiter.
Erst gegen Ende des Jahrtausends gab es große äußerliche Weiterentwicklungen: Im Oktober 1998 wurde das neue Dorfgemeinschaftshaus auf dem Richthof mit fünf Aufführungen des Musicals „Anatevka“ eröffnet. Neben einem Saal für bis zu 350 Menschen – das sind alle Sassener und Richthöfler – gibt es Raum für künstlerische Kurse, Gesprächsgruppen und Konferenzen und ein kleines Café, das an den Samstagnachmittagen auch der Öffentlichkeit Kuchen, Getränke und Eis bietet.
Ein Jahr später war neben diesem Bau ein weiteres großes Haus fertiggestellt: das Jacques Lusseyran Haus, in dem alte und junge Menschen auch mit viel Pflegebedarf, Menschen mit und ohne Behinderungen ein neues Sozialwesen gestalten wollten. Aus Sassen ist das langjährige Hauselternpaar Hans und Joke van Zijderveld in dieses Haus gezogen.
Soviel zunächst zur äußeren Geschichte dieser Dorfgemeinschaft, die ihre Herkunft von Sassen und ihre Zusammengehörigkeit mit den Sassenern im Gedächtnis behält und weiterhin pflegen wird.